Hat Seat noch eine Zukunft?
Traditionsmarke Seat wird von Cupra verdrängt
Die Newcomer-Marke Cupra wird vom Firmen-Chef der spanischen Autohersteller Seat und Cupra, Wayne Griffiths, immer weiter gefördert. Gleichzeitig wird Seat jedoch eher stiefmütterlich behandelt. Jetzt schlagen sogar im Betriebsrat des spanischen VW-Ablegers die Alarmglocken: Etliche Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel.
Seat und Cupra: Zwischen Anspruch und Vision
Seat und Cupra gehören bekanntlich irgendwie zusammen. Doch allein schon in der Außenwahrnehmung könnten die Marken kaum unterschiedlicher dastehen. Zum einen gibt es die Traditionsmarke Seat, ein wahrer Großvater unter den Automarken. Etwas altmodisch und in die Jahre gekommen, sucht Seat mal wieder nach seiner eigenen DNS innerhalb des Konzernverbundes. Zum anderen steht da die junge, dynamische Marke Cupra gegenüber, die gerade einmal vier Jahre auf dem Buckel hat. Mit viel Energie und Ambitionen hat Cupra gar der Corona Pandemie zum Trotz beachtliche Erfolge verzeichnen können und springt seit Gründung von einem Erfolg zum nächsten.
Laut dem Firmenchef Griffiths soll Cupra weiter etabliert werden, denn nach gerade einmal vier Jahren könne dies faktisch noch gar nicht der Fall sein. Im selben Atemzug nennt Griffiths jedoch durchaus ambitionierte Ziele: Die Absatzzahlen Cupras sollen dieses Jahr im Vergleich mit 2021 einfach verdoppelt werden. Zwar unterliegt Cupra damit immer noch seiner großen Schwester Seat, allerdings wurde bei dem altgedienten Unternehmen ein deutlicher Absatzrückgang von zwei Prozent festgestellt. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum von 2020-2021 hat Cupra seinen Absatz fast verdreifacht. Die neue Strategie bei den Spaniern heiß deshalb also Cupra² - man will die Absätze also potenzieren.
Cupra hat höchste Priorität
Cupra wird im Markt ein riesiges Potenzial zugeschrieben, welches man auch bei der Umsatzentwicklung sehen kann. Hier wird mindestens mit einer Verdopplung gerechnet, was Cupra in etwa auf einen Fünf-Milliarden-Euro-Berg hieven könnte. Firmenchef Griffiths verheimlicht jedenfalls nicht die interne Strategie: "Die Priorität innerhalb der Seat-Gruppe liegt bei Cupra." Untermauert wird diese Taktik von ganz oben aus dem Norden. Bereits vor Jahresbeginn ließ VW-Konzernchef Herbert Diess Volkswagens ehrgeizige Elektrifizierungspläne durchblicken. Und diese haben in keiner Weise etwas mit Seat zu tun. Viel mehr mit der jungen, frischen und sportlichen Marke Cupra. Seat läuft im Vergleich von alleine, aber trotzdem unauffällig nebenher.
Konzernchef Diess ließ nach seinem Spanien-Besuch, bei dem er sich u.a. auch mit König Felipe über die Cupra-Strategie unterhalten hatte, auf der Businessplattform LinkedIn verlauten, Cupra solle sich zur reinen Elektromarke wandeln. Die hippe Automarke solle von Spanien aus global junge Zielgruppen ansprechen und „nach 2030“ (das Datum sei hier nicht in Stein gemeißelt) ausschließlich elektrisch daherkommen. Und auch Griffiths macht vor den Superlativen keinen Halt. Cupra werde sich neben Porsche am schnellsten elektrifizieren innerhalb des VW-Konzerns. Dies könne nicht bei Seat und Cupra gleichzeitig geschehen, die Marken hätten schließlich auch unterschiedliche Modelle im Angebot und bedienten somit auch andere Kunden. So solle die Elektrifizierung Cupras nicht zu auf Kosten Seats gehen. Der Beigeschmack ist jedoch klar: Seat als der rauchende Verbrenner-Opa und Cupra als jung, modern und elektrisch.
Cupra will sich nun auch auf dem internationalen Markt durchsetzen
Ein weiterer Wermutstropfen für Seat: Innerhalb des spanischen Markenverbunds traut man eher Cupra eine globale Perspektive zu. Dabei wiegen nicht nur Image- sondern vor allem auch sprachliche Gründe schwer. Griffiths betont, Seat habe es besonders im englischsprachigen Raum schwer, während Cupra demnächst zuerst in der australischen Großstadt Sydney launchen soll und danach zudem in die USA kommen soll. Seat hingegen spielt im globalen Geschäft maximal eine Nebenrolle. Mit Skoda hat Volkswagen bereits eine vollkommen funktionierende, günstige Einstiegsmarke im Konzern. Den Tschechen traut man bei VW nämlich bereits die Durchsetzungskraft auf preissensiblen Märkten, wie z.B. Indien zu. Was dem Konzern tatsächlich fehlt ist jugendliche Sportlichkeit. Diese lässt sich nämlich überall auf der Welt bestens vermarkten und genau dafür steht Cupra.
Werk in Martorell als Zentrum für die globale Expansion
Beim Ortstermin ließ Konzernchef Diess kürzlich verlauten, Spanien habe die Chance ein europäisches Zentrum für Elektro-Mobilität zu werden. Das spanische Werk in Martorell soll die Produkte für die weltweite Expansion liefern und das schon möglichst bald ausschließlich elektrisch, inklusive der Produktion der Akkuzellen. Und Seat? Schaut in die Röhre, denn der zuletzt eigentlich als „el Born“ angekündigte Elektrobolide des Traditionsherstellers wurde kurzerhand ganz zu Cupra umgezogen. Hier heißt das E-Auto nur noch „Born“ und steht seit Ende 2021 bei den Cupra Händlern im Schaufenster. Und selbst in Bezug auf die Händler wird vom Mutterkonzern eine gänzlich andere Strategie verfolgt: Die Verkaufsstellen heißen nun „Cupra Master“ und finden sich in besten, zentralen Lagen europäischer Innenstädte. Die schlichten Funktionsbauten im äußeren Industriegebiet bleiben Seat hingegen überlassen. Die Marschroute hin zur Premium-Marke Cupra wird somit weiter verdeutlicht.
Wie geht es für Seat weiter?
Dass er keine Angst vor harten Maßnahmen hat, hat VW-Chef Diess in den letzten Jahren bereits des Öfteren bewiesen. Nicht nur, dass er die Elektrifizierung des Konzerns konsequent vorantreibt, Diess hat auch stets ein Auge auf die globalen Märkte. Heißt in der Folge: Was sich nicht weltweit verkaufen lässt oder sich in Punkto Positionierung im Konzernverbund doppelt, hat kaum noch eine Zukunft. Noch vermeidet Volkswagen diesbezüglich klare Statements, derzeit spricht jedoch sehr viel für eine Aufgabe der Traditionsmarke Seat.