Coulthard besorgt
Hamilton schon geschlagen?
Blendend aufgelegt war Lewis Hamilton nach Melbourne gereist. Ein guter, entspannter und produktiver Winter würde hinter ihm liegen, sagte der Champion von 2008 noch vor dem Saisonauftakt. Mit dem MP4-27 hat ihm das Team ein gutes Auto hingestellt - dass es daran heuer nicht scheitern sollte, war bereits nach den Testfahrten ziemlich klar. Grenzenloser Optimismus herrschte da in Woking, besonders aber bei Hamilton, der für 2012 so viel vorhatte. Die privaten Probleme der Vergangenheit wollte er endlich hinter sich gelassen haben und sich in Zukunft ausschließlich auf die wichtigen, sportlichen Belange konzentrieren.
Doch dann das: Im Australien-Grid tauchte mit Dauer-(Ex-)Freundin Nico Scherzinger plötzlich wieder einer der Unruhefaktoren im Leben des McLaren-Piloten auf. Böses ahnen wollte man da aber noch nicht, hatte Hamilton mit einer starken Pole-Position am Samstag doch ein klares Signal in Richtung Konkurrenz gesandt, seine Stellung als einer der schnellsten Piloten in Sachen Grundspeed eindrucksvoll untermauert. Alles schien vollends nach Plan zu laufen - bis zum Start. Diesen verlor der Brite gegen Landsmann und Teamkollege Jenson Button und anschließend demonstrierte eben dieser das eigentlich doch von Hamilton beanspruchte neue Selbstbewusstsein bei McLaren.
Optimismus wie weggeblasen
Wirklich gefährden konnte Hamilton seinen Stallgefährten im weiteren Rennverlauf nicht mehr - Button entwickelt sich für den ehemaligen Nummer-1-Piloten des britischen Traditonsteams immer mehr zum Albtraum. Als auf Grund der Safety Car Phase nach zwei Dritteln des Rennens dann mit etwas Glück Sebastian Vettel durchschlüpfte, war das Leid des Lewis Hamilton perfekt. Platz drei zum Auftakt, Pole-Position verspielt, wie 2011 wieder klar von Button geschlagen: Hamiltons Trauermiene auf dem Podest sprach Bände. Wohl selten konnte jemand einer Podiumsplatzierung so wenig Positives abgewinnen. Für Ex-McLaren-Pilot David Coulthard ein großer Grund zur Sorge. Psychologisch sei die Button-Demonstration im Albert Park genau zum falschen Zeitpunkt für Hamilton gekommen.
"Hat Lewis das bereits geschlagen?", fragte der Schotte in seiner Kolumne für eine große englische Tageszeitung. Button habe seine vielen Kritiker wieder einmal Lügen gestraft - und Hamilton in der australischen Abendsonne einmal mehr in den Schatten gestellt. Gar von möglichen Psychospielchen des gewitzten Rennsiegers war laut Coulthard die Rede: Button habe direkt im Anschluss an seine Qualifying-Runde in Q3, die ohnehin nur anderthalb Zehntelsekunden langsamer als Hamiltons Fabelrunde kurz vor Schluss war, sowohl via Funk als auch in der Pressekonferenz selbstbewusst verkündet, dass er noch das ein oder andere Zehntel habe liegen lassen. Für Hamilton am absoluten Limit ein Denkanstoß?
Umgang mit den Reifen als Schwäche
Nach dem Rennen gab der Brite zu, zum Teil größere Probleme mit den Reifen gehabt zu haben - mehr Pace sei daher nicht aus dem Auto zu quetschen gewesen. Für Coulthard ruft das unweigerlich "die alte Frage nach seiner Fähigkeit, sich die Reifen einzuteilen" auf den Plan. Bescheinigen wollte ihm der DTM-Pilot zwar einen gut geschulten Umgang mit den Medien - die Körpersprache des geschlagenen McLaren-Fahrers habe jedoch nichts Gutes vermuten lassen. "Lewis sah auf dem Podium wie versteinert aus. Er hat anschließend schon all die richtigen Dinge gesagt, Jenson zu seiner Leistung gratuliert, sich bei McLaren für ein siegfähiges Auto bedankt - aber er dabei völlig zerstört aus und so hörte er sich auch an."
Für Button sei der Auftaktsieg genau aus diesem Grund umso wichtiger gewesen. "Das darf man nicht unterschätzen. Er hat früh ein Ausrufezeichen gesetzt und auch bewiesen, dass das letzte Jahr kein Zufall war", so Coulthard. Sein Selbstvertrauen würde nun nur noch weiter steigen, während man bei Hamilton sehen müsse, wie er mit dem ersten großen Nackenschlag der Saison umgehe. Ex-F1-Pilot Martin Brundle attestierte dem 27-Jährigen immerhin: "An seinen guten Tagen ist Lewis unschlagbar. Trotzdem frage ich mich aber, ob McLaren zögert, ihn zu behalten." Mit Bezug auf Hamiltons viele Kontroversen in der Vergangenheit, fügte der Brite an: "Er bringt ganz schon viel Gepäck mit." Der McLaren-Vertrag des Ex-Champs läuft Ende des Jahres aus.