Albert Deuring im Interview
Der Mensch stößt an seine Grenzen
Albert Deuring: Bei dem schweren Unfall in Hockenheim - einem der schwersten, den wir in der DTM je erlebt haben - ist aufgezeigt worden, dass das Sicherheitskonzept der DTM Früchte trägt. Doch obwohl es funktioniert hat, kann man nicht einfach sagen: Es ist gut. Unsere Überlegungen für Verbesserungen gehen immer weiter. Auf Grund solcher Unfälle können wir analysieren, welche Kräfte welche Deformationen verursachen, und auch aus den Formelserien kommen für uns immer neue Anregungen.
Wie gut hat das Sicherheitskonzept konkret beim Hockenheimer Startunfall funktioniert?
Albert Deuring: Die Crashstrukturen an Tom Kristensens Autos haben alle so funktioniert, wie sie funktionieren sollten. Leider hat sich Tom ein Hirntrauma zugezogen, nachdem extreme Beschleunigungen und Verzögerungen gewirkt haben. Allerdings war, was die Sicherheitszelle angeht, alles intakt und er konnte problemlos geborgen werden. Doch der menschliche Körper kann an seine Grenzen stoßen, vor allem im Kopfbereich.
Was könnte man in technischer Hinsicht tun, um in der DTM das Überholen zu vereinfachen?
Albert Deuring: Die Streckenbetreiber versuchen, mit Blick auf mehr Überholmanöver viel zu tun. Wenn Hermann Tilke zu diesem Thema referiert oder man sich mit ihm unterhält, kommt man in Versuchung, alles über modifizierte Strecken zu erreichen. Es wird Teer mit weniger Grip eingesetzt, es werden neue Streckenvarianten verwirklicht, die mehr Fehler erlauben - damit die Fahrer bereit sind, das Risiko eines Fehlers einzugehen. In der DTM steht die Performance der Autos im Vordergrund. Man hat versucht, über das Gewichtsreglement die Autos in ihrem Speed anzugleichen, was auch die Zahl der Positionskämpfe erhöht - und die Chance, dass der Fehler des einen Fahrers vom anderen zum Überholen genutzt werden kann. In den ersten Rennen dieser Saison hat man viele Überholmanöver gesehen, durchaus auch spektakuläre.
Wie hinderlich ist im Bestreben nach mehr Überholmanövern die Strafvergabe der Rennleitung?
Albert Deuring: Bei Strafvergaben muss eine klare Linie gefahren werden. Der Fahrer muss wissen, was er darf. Wenn schon minimale Berührungen zu Strafen führen, kann es das nicht sein. Wenn der eine Fahrer den anderen umdreht, soll das bestraft werden, aber es muss auch die Freiheit geben, spontan in eine Lücke zu stechen und ein Manöver zu wagen.
Oft gehen schon bei leichten Berührungen kleinste aerodynamische Teile verloren, ohne die das Fahrzeug stark an Performance verliert. Auch dadurch wächst die Scheu vor Überholmanövern - sollte in dieser Hinsicht etwas geändert werden?
Albert Deuring: In einer Hightech-Serie wie der DTM versucht jeder die reglementarisch freigegebenen Bereiche zu nutzen. Wenn sich ein Fahrer aerodynamische Elemente abfährt, darf er sich nicht beschweren. Immerhin kann er weiterfahren, wenn auch nicht mehr mit dem optimalen Speed. Und wenn er seine Aerodynamik beeinträchtigt, hat wieder ein anderer Fahrer die umso größere Chance zu überholen. Das gleicht sich aus.
Wie wichtig ist mittlerweile der Bereich Rennstrategie in der DTM geworden?
Albert Deuring: Alle Strategie hilft nicht, wenn der Grundspeed nicht vorhanden ist. Insofern ist die Taktik nur ein wichtiger Faktor, wenn die Fahrzeuge ähnlich schnell sind. In der Vergangenheit war die Strategie im Grunde noch wichtiger, denn nun haben wir einen Einheitsreifen, mehr Konstanz hat als der vorherige. Es kommt zurzeit hauptsächlich darauf an, durch die Rennstrategie möglichst viel freie Fahrt zu haben.
Hat die neue Reifengeneration die Strategie entsprechend erschwert?
Albert Deuring: Er hat die Strategie verengt. Der neue Reifen lässt nicht mehr so viele Strategiespiele zu, weil man in kurzer Zeit mit neuen Reifen angesichts ihrer Konstanz nicht mehr so viel Zeit gutmachen kann. So macht ein kurzer mittlerer und ein langer letzter Stint weniger Sinn als zuvor.
Zurzeit finden bei Audi parallel die Weiterentwicklung des aktuellen und die Entwicklung des komplett neuen A4 DTM für 2008 statt. Wie wird das gemeistert?
Albert Deuring: Audi Sport hat ein fixes Team, das diese Parallelentwicklung ohne personelle Veränderungen angeht. Wir beim Team Audi Sport Abt Sportsline in Kempten können aus unseren Renneinsätzen Input geben, welche Eigenarten beim nächstjährigen Auto möglichst abgestellt werden sollten. Es findet ein permanenter Austausch statt. Die Entwicklung wird immer komplexer, es hängt viel von Windkanalversuchen und Simulationen ab.