Chinesischer Autobauer Geely fasst in Deutschland Fuß
Geely baut Forschungszentrum bei Frankfurt
Vielen ist Geely hierzulande noch kein Begriff. Hinter diesem Namen verbirgt sich jedoch ein echtes Schwergewicht der Autobranche. Der Konzern mit Sitz in Hangzhou, China, produziert mit seinen weltweit rund 80.000 Mitarbeitern zahlreiche Automodelle und bedient viele verschiedene Marken. So gehört beispielsweise Volvo seit 2010 zu Geely. Zudem übernahmen die Chinesen den Hersteller der Londoner Taxis, „Black Cabs“ genannt, sowie die Mehrheit des Sportwagenherstellers Lotus. Im Jahr 2018 machte man Schlagzeilen, indem man fast zehn Prozent der Daimler-Anteile erwarb und damit schlagartig zum größten Einzelaktionär des Stuttgarter Autobauers wurden. In China ist Geely mit rund 1,6 Millionen verkauften Fahrzeugen bereits die größte Automarke.
Nun eröffnete Geely ohne großes Aufsehen ein Forschungs- und Entwicklungszentrum in Raunheim bei Frankfurt. Dabei kam man jedoch ohne große PR-Maschinerie oder spektakuläre Keynotes aus. Was sind also die Pläne des Konzerns für das Autoland Deutschland?
Drittes Forschungs- und Entwicklungszentrum in Europa
In Europa ist der Autohersteller Geely bereits in Göteborg sowie im britischen Coventry mit jeweils einem Forschungs- und Entwicklungszentrum vertreten. Nun folgt ein weiterer Standort im Rhein-Main-Gebiet. Dieser soll maßgeblich für die Entwicklung des Premium-Segments zuständig sein, teilte das Unternehmen in einer Mitteilung mit. Entscheidend für die Auswahl des Standortes war hierbei die Nähe zum internationalen Flughafen Frankfurt. Ein Unternehmenssprecher betonte, die Erreichbarkeit Chinas sei von besonderer Bedeutung. Zudem sei Deutschland führend in der internationalen Autoindustrie, so dass man hier auf fähiges Fachpersonal bauen könne.
Fachpersonal gesucht
In den nächsten drei Jahren sollen 300 Mitarbeiter im neuen Forschungszentrum eingestellt werden. Derzeit arbeiten dort rund 70 Spezialisten, hauptsächlich Ingenieure. Personalchefin Karen Wang teilte mit, unter dem neuen Personal seien auch ehemalige Mitarbeiter von Marken wie Opel, Porsche, VW oder Audi. Probleme, geeignetes Personal für den chinesischen Autobauer zu finden, gibt es also offenbar nicht. Wang stellte klar, dass es aber natürlich kulturelle Herausforderungen gebe und man lernen müsse, sich gegenseitig zu verstehen. Damit dies optimal gelinge, schicke man regelmäßig Mitarbeiter nach China, um die Unternehmenskultur vor Ort kennenzulernen.
Deutsche Ingenieure sehr gefragt
Geely hofft, mit dem neuen Standort in Deutschland vom Know-How und den Erfahrungen im Premiumbereich zu profitieren. Mit Hilfe der hiesigen Ingenieure will sich der Konzern für Mobilitätskonzepte der Zukunft fit machen. Gerade in Bereichen wie Konnektivität, User Experience, Datensammlung sowie Apps soll am deutschen Standort geforscht werden. Daher wird aktuell Personal aus unterschiedlichsten Kompetenzfeldern gesucht: Werkstoffkunde, Regelungstechnik, Thermomanagement und Softwarenentwicklung sind nur einige Bereiche der ausgeschriebenen Stellen. Die Forschung der deutschen Ingenieure, die speziell im Premiumsegment weltweit hohe Anerkennung findet, soll später dem gesamten Konzern zur Verfügung gestellt werden.
Neues Gebäude soll in anderthalb Jahren fertig sein
Geely hatte zunächst ein Gebäude im Raunheimer Prime Parc mit rund 20 Mitarbeitern bezogen. Raunheims Bürgermeister Thomas Jühe (SPD) teilte mit, im dortigen Gewerbegebiet „Airport Garden“ entstehe bereits ein neues Gebäude für den chinesischen Konzern, das in anderthalb Jahren bezugsfertig sein soll. So sei die Ansiedlung kein Erfolg Raunheims allein, sondern der Initiative „Drei gewinnt“ der Städte Rüsselsheim, Raunheim und Kelsterbach geschuldet, bei der unter anderem um chinesische Investoren geworben wird. Jühe betonte, man habe dem Unternehmen dadurch besonders attraktive Konditionen bieten können. So werde die zusätzliche Gewerbesteuer beispielsweise geteilt: 40 Prozent erhalte die Kommune, der Rest wird unter den anderen beiden Gemeinden aufgeteilt. Die Stadt rechnet langfristig mit weitaus mehr als den bislang angekündigten 300 Mitarbeitern.
Was sind die Zukunftspläne von Geely?
Der Konzern gehört dem chinesischen Milliardär Li Shufu, der 1963 in eine einfache Bauernfamilie geboren wurde. Er arbeitet sich konsequent und zielorientiert an die Spitze des heute erfolgreichsten chinesischen Autobauers. Ein ambitionierte Visionär, der nun den Sprung nach Europa wagt. Der Standort, der sich vorerst auf den Bereich Forschung und Entwicklung beschränkt, könnte in absehbarer Zeit als wichtiger Brückenkopf für weitere Joint Ventures mit deutschen Autoherstellern dienen. Langfristig dürfte Geely auch den Einstieg auf dem deutschen Automarkt anpeilen – ein Schritt der bislang jedoch noch keiner chinesischen Automarke gelungen ist. Die Autokäufer hierzulande vertrauen etablierten Marken, setzen auf Qualität und Design. Genau in diesen Bereichen will Geely nun nachlegen - mit Hilfe von Fachpersonal aus Deutschland.